„Zweisprachig, international und ökumenisch“

Eine Bibliolog-Erfahrung während des Welttreffens des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) vom 31. August bis 8. September 2022 in Karlsruhe

von Annette Bernards

Die Welt war zu Gast in Karlsruhe. Vertreter*innen aus 150 christlichen Mitgliedskirchen kamen zusammen, um aktuelle und dringende Probleme und Fragen zu beraten. Die Beratungen der ca. 800 Delegierten fanden auf dem Festplatz in Karlsruhe unter einem riesigen Zeltdach statt. Sie wurden abends mit einem Abendgebet beschlossen, das jeweils von einer Konfession verantwortlich gestaltet wurde. 30 Minuten, der Schrifttext des jeweiligen Tages mit Auslegung, Beteiligungsmöglichkeit für die Mitfeiernden und Gestaltungselemente, die für die jeweilige Konfession prägend sind – das waren die Vorgaben.

Am Samstag, 3. September 2022 waren die Katholiken an der Reihe. Sowohl der Vatikan als auch die Zentrale des ÖRK in Genf hatten im Dekanat Karlsruhe angefragt, ob sich dort jemand findet, der diese Gebetszeit vorbereitet. Schnell war eine Gruppe von 4 Personen (Dekanatsreferent, Schuldekan, zwei Ehrenamtliche – eine davon war ich) gefunden. Unsere Idee: Wir machen einen Bibliolog zur vorgegebenen Tages-Bibelstelle „Zachäus“ (Lk 19,1-8), betten ihn ein in einen kleinen Wortgottesdienst mit Taizé-Gesängen, die sehr gut mehrsprachig gesungen werden können und einen Weihrauch-Ritus zu den Fürbitten. Die Schriftstelle, die Rollen und Fragen des Bibliolog mit den jeweiligen Fragen wurden in einem Begleitheft in vier Sprachen abgedruckt. Den Bibliolog habe ich in deutscher und englischer Sprache durchgeführt (Prolog, Hinführung, Rollen, Fragen, Ecchoing / Interviewing, Shifts und Deroling).

Das Ganze war schon etwas gewagt. Und im Vorfeld waren wir mit viel Skepsis konfrontiert: „Gibt es keine Predigt? Ist kein Priester dabei? Wäre nicht eine Vesper mit Psalmen geeigneter? Was ist denn überhaupt ein Bibliolog?“ Aber manchmal muss man einfach ein bisschen stur bleiben und ein Wagnis eingehen.

Ca. 200 Mitfeiernde hatten sich dann unter dem Zeltdach versammelt aus ganz verschiedenen Ländern; zahlreiche Bischöfe und die Vatikan-Delegation saßen in den ersten Reihen. Da gab es zunächst erstaunte, z.T. irritierte Gesichter, als es losging. Zum Glück haben sich gleich einige jüngere Menschen in die 1. Rolle eines Bürgers/einer Bürgerin von Jericho hineinversetzen können. Und als der erste afrikanische Bischof aus der Rolle des Maulbeerfeigenbaums heraus erzählte, wie es ihm als Baum mit dem Zachäus in seinen Ästen und Jesus vor ihm ging, war der Bann gebrochen. Es gab viele sehr positive Rückmeldungen. Und die Vatikan-Delegation hat sich überschwänglich bedankt für diese neue Erfahrung.